Sprachstörungen bei Kindern
In unserer Praxis behandeln wir Kinder mit den verschiedensten sprachlichen Schwierigkeiten:
- Sprachentwicklungsstörungen (SES)
- lexikalischen Störungen
- Aussprachestörungen
- Dysgrammatismus
- Wortfindungsstörungen
- Mundmotorische (Myofunktionelle) Störungen
- Kindliches Stottern
- Zentral-auditive Verarbeitungsstörung (ZAVS)/Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung (AVWS)
- Lese-Rechtschreib-Störung (LRS)/Legasthenie
Unabhängig vom genauen Störungsbild ist es wichtig, dass sich das Kind in der Therapie wohl fühlt. Nur dann traut es sich, auch einmal Fehler zu machen und es hat eine höhere Motivation, zu lernen.
Darum werden alle sprachlichen Übungen so weit wie möglich spielerisch gestaltet und an den Interessen des Kindes ausgerichtet.
Die Inhalte und Ziele der Therapiestunden werden nach jeder Einheit mit den Eltern besprochen.
Sprachentwicklungsstörungen (SES)
Sprache erlernen ist eine komplizierte Angelegenheit – man muss sich nicht nur zahlreiche Wörter und ihre Bedeutungen einprägen, sondern auch lernen, wie diese Wörter richtig ausgesprochen und zu ganzen Sätzen kombiniert werden.
Das gilt nicht nur für Fremdsprachen, sondern auch für die Muttersprache. Kein Wunder also, dass viele Kinder genau dabei Schwierigkeiten haben.
Bei solchen Schwierigkeiten spricht man von einer Sprachentwicklungsstörung (SES).
Die Ursachen für diese Störung sind bis heute noch nicht genau bekannt. Klar ist aber, dass sie nicht durch eine Einschränkung der Intelligenz verursacht werden. Häufig treten Sprachentwicklungsstörungen auch in Folge einer Hörstörung oder Behinderung auf.
Bei einer Sprachentwicklungsstörung können ein oder mehrere Aspekte von Sprache betroffen sein:
- die Aussprache (Aussprachestörung oder Dyslalie)
- der Wortschatz (lexikalische Störung)
- die Verknüpfung von Wörtern zu Sätzen (Dysgrammatismus)
Alle diese Aspekte werden in unserer Praxis behandelt.
Dabei wird zunächst eine Sprachdiagnostik durchgeführt, durch die festgestellt wird, wo die Schwerpunkte der Sprachentwicklungsstörung liegen.
Diese Punkte werden dann in den Therapiesitzungen bearbeitet. Die Therapiekonzepte dafür (z.B. nach Kauschke & Siegmüller, Penner oder Motsch) wurden bereits in Studien überprüft und ihre Wirksamkeit bestätigt.
Bei einer lexikalischen Störung werden mit den Kindern Wortfelder aufgebaut und die Bedeutung und Lautform der neuen Wörter in Übungen gefestigt.
Bei Aussprachestörungen wird an dem Bewusstsein für den lautlichen Aufbau von Wörtern gearbeitet, um eine genauere Speicherung der Wörter zu erreichen.
Werden Laute falsch ausgesprochen (z.B. beim Lispeln), wird die richtige Aussprache erarbeitet und intensiv geübt. Wichtig ist in diesem Bereich häufig auch eine Kräftigung der Zunge, da Laute häufig falsch ausgesprochen werden, weil der Zunge die Kraft für eine richtige Lautbildung fehlt.
Werden bestimmte Laute immer durch andere ersetzt (z.B. das k durch das t), wird zunächst die Unterscheidung der beiden Laute geübt, bevor die Aussprache des ersetzten Lautes erarbeitet wird.
Bei einem Dysgrammatismus werden die fehlenden Strukturen erarbeitet (z.B. der Dativ) und in unterschiedlichen Kontexten geübt, bis sie in den Alltag übernommen werden.
Quellen: Siegmüller & Kauschke (2006). Therapie von Sprachentwicklungsstörungen nach dem Patholinguistischen Ansatz. Elsevier.
Penner (1990). On the Acquisition of Verb Placement and Verb Projection Raising in Bernese Swiss German. In: Rothweiler (Hrsg) Spracherwerb und Grammatik. Linguistische Untersuchungen von Syntax und Morphologie. Linguistische Berichte, Sonderheft 3.166-189. Motsch (2004). Kontextoptimierung. Förderung grammatischer Fähigkeiten in Therapie und Unterricht. Reinhardt.
Wortfindungsstörungen
Jeder kennt das unangenehme Gefühl, wenn einem ein Wort auf der Zunge liegt, man es aber partout nicht aussprechen kann. Dieses Phänomen ist vollkommen normal, wenn es nur vereinzelt auftritt. Wird es aber sehr häufig, spricht man von einer Wortfindungsstörung.
Bei den betroffenen Kindern führt das dazu, dass ihnen im Gespräch dauernd die richtigen Wörter fehlen. Stattdessen werden dann oft ähnliche Wörter, ungenaue Platzhalter (z.B. Dings oder na so halt), Gesten oder Umschreibungen eingesetzt.
Bei vielen Kindern kommt es aber auch zu einer großen Frustration, ablenkenden Handlungen oder dazu, dass der oder die Betroffene kaum noch von sich aus spricht.
Bei einer solchen Störung geht man davon aus, dass das Kind die bekannten Wörter zu ungenau abgespeichert hat und dadurch die Speicherung neuer Wörter und der Abruf bekannter Ausdrücke nicht so schnell und effektiv sind, wie sie sein sollten. (vgl. Siegmüller & Kauschke (2006)).
In der Therapie wird nach dem Therapiekonzept von Siegmüller & Kauschke (2006) mit den Kindern deshalb geübt, Wörter in kleinere lautliche Einheiten zu unterteilen, um eine genauere Speicherung von Wörtern zu erreichen.
Außerdem wird die Bedeutung von Wörtern vertieft, indem die Eigenschaften, Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Gegenständen besprochen werden.
Quellen:
Siegmüller & Kauschke (2006). Therapie von Sprachentwicklungsstörungen nach dem Patholinguistischen Ansatz. Elsevier.
Glück (1998). Kindliche Wortfindungsstörungen. Peter Lang.
Myofunktionelle Störungen
Die Zunge ist ein Muskel, der jeden Tag gebraucht wird.
Bei vielen Kindern und Jugendlichen ist dieser Muskel aber zu schwach. Das führt dazu, dass die Zunge nicht beweglich und kräftig genug ist, um richtig schlucken zu können oder den Mundraum von kleineren Essensresten zu reinigen.
Häufig kommt es dadurch zu Schäden an den Zähnen, einem offenstehenden Mund, wunden Lippen oder Speichelfluss aus dem Mund.
Ein permanent offenstehender Mund deutet auch auf eine Mundatmung hin. Diese kann zu häufigeren Erkältungen und Entzündungen der Atemwege führen, da die Schutzfunktionen der Nase entfallen. Nicht selten ist die Mundatmung auch eine Folge von starker Polypenbildung im Nasen- und/oder Rachenraum.
Die Therapie besteht hier in einem systematischen Training der Zungen- und Lippenmuskulatur nach Kittel (2007). Dieses Training findet in wöchentlichen Sitzungen in unserer Praxis statt, unbedingt notwendig ist aber auch das tägliche Üben zu Hause. Die Übungen dafür werden in den Therapiesitzungen erklärt und immer wieder besprochen.
Quellen: Kittel (2007). Myofunktionelle Therapie. Schulz-Kirchner.
Kindliches Stottern
Stottern ist nicht unbedingt ein Problem mit der Sprache an sich, sondern damit, Wörter und Sätze „herauszubekommen“. Das führt dazu, dass das Kind an einigen Lauten regelrecht hängen bleibt, einzelne Silben oder Wörter immer wieder wiederholt oder Sätze abbricht.
Ein leichtes Stottern, bei dem etwa nur Wörter oder Satzteile locker wiederholt werden, kann als Phase im Spracherwerb auftreten und muss kein Anlass zur Sorge sein.
Zeigt ein Kind aber eine sichtliche Anstrengung und Anspannung beim Sprechen (so dass z.B. einzelne Laute herausgepresst werden, Lautstärke und Stimmhöhe deutlich ansteigen oder das Kind grimassiert), besteht die Gefahr eines pathologischen Stotterns.
Hier ist eine möglichst frühe Behandlung wichtig, da bei einem Therapiebeginn im Kindesalter die größten Aussichten darauf bestehen, dass das Stottern völlig geheilt werden kann. Leider kann aber nie garantiert werden, dass das Stottern durch die Therapie vollständig verschwindet.
Für die Betroffenen ist das Stottern sehr belastend: Sie wissen genau, was sie sagen wollen, bringen es aber einfach nicht flüssig heraus. Das führt bei vielen Kindern zu einer großen Frustration, sinkender Sprechfreude und oft auch zu einer Minderung des Selbstbewusstseins.
Helfen kann man einem stotternden Kind, wenn man ruhig und entspannt bleibt und das Kind ausreden lässt, auch wenn es an einem Wort hängen bleibt. Gut gemeinte Ratschläge (z.B. „Sag’s noch mal ganz langsam“) schaden meist mehr als sie nützen.
Der wichtigste Baustein der Stottertherapie ist die sogenannte Desensibilisierung:
Die negativen Gefühle beim und die Angst vorm Stottern werden durch spielerische Übungen, Nachstellen von alltäglichen Situationen im geschützten Therapieraum sowie absichtliches „Stottern“ abgebaut.
Später werden auch Übungen außerhalb des Therapieraumes durchgeführt, zum Beispiel in Form der Aufgabe, beim Bäcker ein Brötchen zu bestellen oder im Supermarkt nach einem bestimmten Produkt zu fragen.
Des weiteren wird mit den Kindern geübt, Spannungen beim Sprechen abzubauen, indem man Laute dehnt oder weicher ausspricht.
Diese Strategie wird dann auch eingesetzt, um sich aus einem Stotterereignis zu befreien oder diesen vorzubeugen.
Quellen: Ochsenkühn & Thiel (2004). Stottern bei Kindern und Jugendlichen. Spinger
Sandrieser & Schneider (2001). Stottern im Kindesalter. Thieme.
Dell (1999). Therapie für das stotternde Schulkind. Demosthenes.
Zentral-auditive Verarbeitungsstörung (ZAVS)/ Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung (AVWS)
Bevor man verstehen kann, was ein anderer sagt, muss das Gesprochene zuallererst gehört werden.
Dieses Hören umfasst nicht nur die Weiterleitung des Schalls vom Trommelfell bis ins Innenohr, sondern auch die Verarbeitung dieses Schalls durch das Gehirn.
Neben einer peripheren Hörstörung, bei der die Weiterleitung des Schalls beeinträchtigt ist, gibt es daher auch Beeinträchtigungen der zentralen Verarbeitung des Gehörten.
Man spricht dann von Zentral-auditiven Verarbeitungsstörungen (ZAVS) oder Auditiven Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen (AVWS). Dabei sind das periphere Hören sowie die Intelligenz der Betroffenen normal, problematisch ist jedoch die auditive Aufmerksamkeit, die Hörmerkspanne, das Richtungshören, die Unterscheidung ähnlich klingender auditiver Reize sowie die Trennung von Haupt- und Hintergrundgeräuschen.
Konkret heißt das, dass die betroffenen Kinder eine geringe Ausdauer beim Zuhören (z.B. auch bei Hörspielen oder Vorgelesenem) haben, Schwierigkeiten haben, sich bei Hintergrundlärm zu unterhalten oder zuzuhören und nur schwer längere Aufforderungen befolgen können.
Außerdem treten häufig auch Sprachentwicklungsstörungen auf, bei denen vor allem die Unterscheidung und Anwendung von kurzen und unbetonten Elementen schwierig ist (z.B. Artikel oder Endungen).
Die meisten Kinder mit ZAVS entwickeln außerdem Lese-Rechtschreib-Störungen, da sie ähnliche Laute auditiv kaum unterscheiden können, nur schwer Laute aus Wörtern heraushören und sich auditive Informationen schlecht merken. Daher fällt es ihnen natürlich auch schwer, Wörter in Laute aufzuteilen, sich diese in der richtigen Reihenfolge zu merken und in Buchstaben zu übersetzen, wie es beim Schreiben notwendig ist.
Eine möglichst frühe logopädische Therapie ist also wichtig, um den Kindern eine normale Sprach- und Schriftsprachentwicklung zu ermöglichen. Hierbei werden spezifische Übungen zur auditiven Aufmerksamkeit, zur Merkfähigkeit und zur Erkennung und Unterscheidung von Lauten durchgeführt. Zudem werden mit den Kindern und Eltern Strategien besprochen, wie man die auditiven Schwierigkeiten besser meistern kann.
Die Diagnose eine ZAVS erfolgt durch Phoniater oder Pädaudiologen. Wichtig ist, dass nicht nur eine Hörschwellenmessung stattfindet (diese sagt nur etwas über die Schallweiterleitung, nicht aber über die zentrale Verarbeitung des Schalls aus), sondern mindestens drei verschiedene audiometrische Verfahren durchgeführt werden.
Es kann aber auch eine Diagnose durch Psychometrische Verfahren beim Sprachtherapeuten erfolgen.
Quellen: Nickisch, Heber & Burger-Gartner (2001). Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungs-störungen bei Schulkindern. Borgmann.
Lauer (2006). Zentral-auditive Verarbeitungsstörungen. In Siegmüller, Bartels (Hrsg.): Leitfaden Sprache Sprechen Stimme Schlucken. Elsevier.
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